Kreisarchäologie des Landkreises Freising

Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

Heimat- und Geschichtsverein Neufahrn e.V.

 

25.07.2024

 

 

Neufahrns Ortsgeschichte muss umgeschrieben werden - Radiokarbondatierung bringt die Anfänge des Dorfes ans Licht

 

Unabhängig von zahlreichen Siedlungsspurenaus aus der Bronze- und Römerzeit ging man bisher davon aus, dass Neufahrn bei Freising im Jahr 804 in die Geschichte eingetreten ist. In diesem Jahr wurde der Ort erstmals in einer Freisinger Urkunde als „Niuuiuara“ erwähnt. Neufahrn feierte deswegen im Jahr 2004 sein 1200-jähriges Bestehen. Mit Hilfe der Archäologie und den nun vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen der Skelettfunde am Pfarrweg und am Mesnerhaus im Jahr 2021 kann das Alter von Neufahrn um mindestens 100 Jahre zurückverlegt werden. Archäologinnen und Archäologen fanden Siedlungsspuren und Bestattungen, die bis in das frühe Mittelalter zurück reichen. Kreisarchäologin Delia Hurka und die Gebietsreferentin im Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, Amira Adaileh, stellten nun die bemerkenswerten Ergebnisse vor.


Gefördert durch das Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, durch die Kreisarchäologie Freising und den Heimat- und Geschichtsverein Neufahrn konnten C14-Datierungen zur Altersbestimmung von 17 Skeletten beauftragt werden. Heimatvereins Vorsitzender Ernest Lang: „Besonders dankbar sind wir für die finanzielle Hilfe durch die Freisinger Bank, die Sparkasse Freising-Moosburg und die VR-Bank Ismaning-Neufahrn-Hallbergmoos, die es uns ermöglicht haben, die Skelettfunde im Pfarrweg untersuchen zu lassen“. Als Ergebnis gibt es neue Erkenntnisse zu den Anfängen der Neufahrner Ortsgeschichte.

Kreisarchäologin Hurka wies darauf hin, dass schon vor über 1300 Jahren der Bereich des heutigen Pfarrweges sowie des Kornblumenweges besiedelt war. „Die Menschen errichteten hier mehrere Hofstellen, von denen sich die Reste der typischen, in den Boden eingetieften Grubenhäuser sowie einige Langhäusern erhalten haben“.

Spannend (aber nicht ungewöhnlich für diese Zeit) sind die sieben Bestattungen, welche innerhalb der Hofstellen angelegt worden waren. Es handelt sich um zwei Dreiergruppen von einer Frau und zwei Männern im Norden, einem Mann und zwei Frauen etwas weiter südlich sowie einer Einzelbestattung eines Mannes, welche in west-östlicher Lage beigesetzt worden waren. Ungewöhnlich ist allerdings die Beisetzung im Bereich zweier verfüllter Brunnen sowie eines aufgegebenen Grubenhauses.

Auch bei der 2021 begonnenen Sanierung des ehemaligen Mesnerhauses südlich der Kirche St. Wilgefortis mussten zahlreiche Bestattungen geborgen werden. Amira Adaileh, Gebietsreferentin des Landesamts für Denkmalpflege: „Die begleitenden archäologischen Untersuchungen dokumentierten über 150 Bestattungen, die bis unter die Fundamente des Mesnerhauses reichten.“

Nun konnten aktuell sechs Bestattungen aus dem Bereich des Pfarrweges sowie elf Bestattungen aus dem Bereich des Mesnerhauses mittels der C14-Methode analysiert werden. Im Zusammenspiel mit den archäologischen und anthropologischen Ergebnissen lässt sich die frühe Ortsgeschichte Neufahrns nun folgendermaßen darstellen:

Die Männer und Frauen vom Pfarrweg wurden in einem Zeitraum zwischen 650 und 770 n. Chr. im Bereich ihres Hofes bestattet. Spätestens ab 700 n. Chr., möglicherweise aber auch schon etwas früher, begannen aber auch die Beisetzungen im Bereich des späteren Mesnerhauses. Demnach muss hier auch schon im 8. Jahrhundert, deutlich vor der ersten urkundlich überlieferten Nennung Neufahrns im Jahr 804, eine Kirche mit zugehörigem Friedhof gestanden haben.

Die Ergebnisse zeigen, dass in dieser Zeit unterschiedliche Ausprägungen der Bestattungsbräuche nebeneinander existierten. Denn nach dem Ende der großen Reihengräberfriedhöfe des 6. Jahrhunderts bestatteten die Menschen ihre Verstorbenen oft weiterhin in west-östlicher Ausrichtung, innerhalb ihres Siedlungsbereiches. Erst im Laufe des 8. Jahrhunderts verlagern sich die Friedhöfe dann hin zu den frühen Ortskirchen und prägen ein Ortsbild, welches oft bis heute Bestand hat.

So auch in Neufahrn. Nach Analyse der C14-Bestattungen wurde der Bereich südlich der Kirche bis zur Errichtung eines ersten Gebäudes im 16. Jahrhundert (unterkellerte Friedhofskapelle mit Karner) genutzt. Die Fundamente dieser ersten Kapelle stören zahlreiche ältere Bestattungen. Auch in der Baugrube der Kapelle wurde weiter beigesetzt. Bei den Erweiterungen des Gebäudes nach Norden (um 1700) und nach Süden (1857) nahm man keinerlei Rücksicht auf vorhandene Bestattungen. Auch in den 1960er tangierte man bei der Tieferlegung des alten Kellerbodens zahlreiche Gräber.

Heimatforscher Ernest Lang: „Die bisher in den Schulen gelehrte und auch in einer offiziellen Broschüre der Gemeinde beschriebene Ortsgeschichte ist nicht mehr haltbar“. Bisher ging man davon aus, dass Neufahrn ein Ableger des älteren Ortes Eching sei. Den Ortsnamen Neufahrn interpretierte man als „Neue Familien“.

Ortsnamensforscher (Dachs und Störmer) fiel dagegen auf, dass die zahlreichen Neufahrn-Orte in Bayern an der Wegscheide einer alten Römerstraße liegen. So auch in Neufahrn. Auch die Annahme, die „–ing-Orte“ seien älter als Neufahrn, trifft zwar für die erste urkundliche Erwähnung von Eching und Mintraching zu, nicht aber für das nahe Pulling, das heuer sein 1000-jähriges Bestehen feiert oder auf Garching, das 2015 seine 1100-Jahrfeier beging. Lang: „Die erste urkundliche Erwähnung ist ein zufälliger Eintrag in alten Urkunden und beweist nicht das tatsächliche Alter der Orte. Wir können aufgrund der jetzt erfolgten Radiokarbonuntersuchungen der Skelette davon ausgehen, dass der alte Ortskern von Neufahrn bereits im 7. Jahrhundert besiedelt war.“

Eine interessante Parallele findet sich mit den Neufahrner Ausgrabungen zur gegenwärtigen Landesausstellung über Bayern im frühen Mittelalter in Freising. Die Landesausstellung zeigt auf, dass es in Bayern offenbar schon vor der Ankunft des Heiligen Korbinian im Jahr 724 und der anderen Missionare Christen gab. Die Funde in Neufahrn erhärten diese These.

Es ist angedacht, die archäologischen Ergebnisse zur frühen Ortsgeschichte im fertig sanierten Mesnerhaus zusammen mit Funden aus dem Neufahrner Gemeindegebiet den Bürgern zugänglich zu machen. Geplant sind Informationstafeln sowie spezielle klimatisierte Vitrinen zur Aufbewahrung der Funde.

 

Delia Hurka M.A., Kreisarchäologie Freising

 

 

Amira Adaileh M.A., Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

 

Ernest Lang M.A., Heimat- und Geschichtsverein Neufahrn e.V.,